Bündnisfall in Chemnitz


Zu Beginn der Saison wurde für den 7. Juni 2009 eigentlich die große Auswärts-Sause zur Feier des Aufstieges in Liga drei geplant. Dass es nicht so kommen sollte, war leider schon viel zu früh klar, und so sollte das Spiel in Chemnitz eigentlich nur ein Kampf um die goldene Ananas und die Möglichkeit, sich mit Anstand in die Sommerpause zu verabschieden, werden. Spreefeuer trat die Reise also mit dem Vorsatz an, ein letztes Mal in dieser Saison eine schöne und spaßige Auswärtsfahrt zu unternehmen und Margot ein wenig Auslauf zu gönnen. Doch wann läuft schonmal etwas wie geplant...

Morgens um halb acht bestiegen also drei tapfere Recken (und die nicht minder tapfere Margot) am Berliner Hauptbahnhof den Zug gen Süden. Ausgestattet mit einer knapp bemessenen Ration Bier erwarteten sie den Zustieg des Pressesprechers, der den Zug erst eine Stunde später mit einer ganzen Kiste voll Reiseproviant entern wollte. Eine zwischenzeitliche Umleitung wegen Bauarbeiten brachte 20 Minuten Verspätung und offensichtlich eine große Menge Durst, wurde doch die Kiste Bier weit freudiger begrüßt als ihr Träger. Weiter ging die mehr oder weniger rasante Fahrt durch die Brandenburger Einöde. Für ein kühnes Experiment (siehe unten), welches wir am Umsteigebahnhof Elsterwerda durchführen wollten, baten wir den Zugbegleiter, uns 2 Cent "klein" zu machen. Die Tatsache, dass er nur ein Centstück dabei hatte und unser großzügiger Verzicht auf einen Zahlschein brachten der Deutschen Bahn auf diese Weise also einen glatten Gewinn von 100% Prozent. Die schon erwähnte Verspätung von 20 Minuten sollten wir bis zur Endstation Elsterwerda beibehalten; wie gut, dass dort eine Umsteigezeit einer halben Stunde vorgesehen war. So konnten wir noch einen Moment an diesem historischen Ort verweilen, an dem dereinst der Sonderzug von Kaiser Wilhelm II für zehn Minuten Halt machte. Der Kopf des Vorsitzenden hätte fast noch unter einer herannahenden Lok Halt gemacht, aber dieses eher unschöne Schicksal konnte rechtzeitig abgewendet werden, sodass der Präsi noch das beliebte Kneipenexperiment "Wie zerlege ich Leergut mittels Kleingeld?" durchführen konnte.

Nach Beseitigung der Trümmer betraten wir den bereitstehenden Zug nach Chemnitz. Der nach uns einsteigende Lokführer wirkte angesichts der von uns zur Schau gestellten Club-Embleme nicht sonderlich begeistert und verzog sich schnell in den Führerstand, wo er mit großer Wahrscheinlichkeit Dynamo-Wimpel oder andere unschöne Untensilien verteilte. Viel entspannter zeigte sich dann unsere ebenso dynamische Zugbegleiterin, das eigentliche Highlight dieses Tages. Das erste, was sie von uns sah, war die liebe Margot, welche brav angeschnallt neben dem Klo saß. Leider konnte die gute Frau R. nicht so recht lachen, was sie uns immer wieder mit einer erstaunlichen Mischung aus Trauer und Heiterkeit erklärte. Begründet war dies im kürzlichen Verlust eines Weisheitszahnes. Das Eis war gebrochen und gern berichteten wir vom Zweck unserer Reise und dem Grund unserer eigentümlichen Begleitung. Erst jetzt bemerkten wir die auf der Zugbegleiterinnenweste prangenden Dynamo Dresden- und Werder Bremen-Anstecker. Wir hatten uns also mit dem Feind fraternisiert, worüber wir an diesem Tag aber großzügig hinweg sahen, da wir vereint waren in der Abscheu gegenüber den im Verlaufe der Fahrt zusteigenden "CFC-Fans" (im Zug fiel ein anderes Wort, welches hier aber nicht wiederholt werden soll). Frau R. zeigte sich so begeistert von unserer Reisegruppe, dass sie sogar ihren Feierabend verschob und uns noch bis Chemnitz begleitete. Mit der Bahn hatten wir wahrlich Glück an jenem Tag.

Weniger humorvoll zeigte sich die Staatsmacht, was uns schon bald nach unserer Ankunft am Chemnitzer Hauptbahnhof klar wurde. Relativ zügig wurden wir hinaus gebeten, um dort weiter auf die Ankuft der aus Richtung Leipzig anreisenden Clubfans zu warten. Da standen wir nun vor dem Bahnhof und durften weder weg noch wieder rein. Mit der Zeit sammelten sich einige Clubfans - es mögen vielleicht 50 gewesen sein - an, die eine knappe halbe Stunde vor Anpfiff dann doch noch in Begleitung eines massiven Polizeiaufgebotes den Weg zum Stadion antreten durften. Nicht jedoch, ohne auch auf diesem Weg weitere Schikanen und Demütigungen hinnehmen zu müssen. Kurz vor Anpfiff wurde das Stadion erreicht, wo man uns dann noch eine Überraschung präsentierte: Unserem Alterspräsidenten und Margottchenhüter wurde der Einlass verwehrt.

Die nahmen wir zum Anlass, den Bündnisfall auszurufen. Entweder sollten alle Mitglieder des Fanclubs das Spiel sehen dürfen oder gar keiner. Die Herren in dunkelblau zeigten sich erwartungsgemäß unkooperativ und so machten wir es uns außerhalb des Stadions gemütlich. Zunächst übergaben wir Margot dem Fahnenwart, der die erste Halbzeit noch im Stadion verbrachte, sich dann aber auch zu uns gesellte. Zumindest akustisch konnten wir von unseren billigen Plätzen aus das 1:0 für Chemnitz vernehmen.

Etwa 10 Minuten vor Spielende - also noch vor dem Ausgleich durch Radovan Vujanovic - entschlossen wir uns, den Ort des Geschehens vorzeitig zu verlassen, da wir eine zunehmende Nervosität und Ungeduld unserer lieben Freunde in grün und blau bemerkten. Dies sollte sich im Nachhinein als überaus kluge Entscheidung herausstellen, da es - wie wir später erfuhren - noch zu einem massiven und willkürlich erscheinenden Einsatz der Polizei im Magdeburger Block kam und unsere Abreise dagegen noch relativ entspannt vonstatten ging. Auf einer Wiese erfuhren wir von den Endständen aus Kiel und Halle, was unsere Freude ein wenig erhöhte. Nachdem wir als letzte Hürde die Polzeiabsperrung im Bahnhof überwunden hatten, verlief die Heimfahrt dann wieder enstpannt und - bis auf die Bekanntgabe des Europawahlergebnisses - ereignisarm. Irgendwie wollten alle nur noch nach Hause, nachdem sie sich von einem Saisonfinale etwas anderes versprochen hatten...

Ralle

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